Bei der Großtierrettung hat der Eigenschutz oberste Priorität

Rüdesheimer Feuerwehr bildet sich für Unfälle im landwirtschaftlichen Bereich weiter

Kleintierrettungen gehören bei den Feuerwehren der VG Rüdesheim quasi zum regelmäßigen Einsatzstichwort. Und trotzdem: Ob es der Hund war, der in Sponheim nachts in die Mauerspalte zweier Häuser sprang, um den Marder zu verjagen oder die Katze Luna, die aus der  Dachrinne eines Hüffelsheimer Hauses befreit werden musste, Kater Leo, der es sich in Spabrücken im Heizungskeller zwischen den Öltanks gemütlich machen wollte und stecken blieb, einem Artgenossen, der in Bockenau in ein Abwasserrohr kletterte oder den Stubentigern Lucie, die in Rüdesheim zwei Tage auf einer Tanne saß und ohne Hilfe der Drehleiter nicht mehr herunter gekommen wäre, und Lilli, die die Retter knapp zwei Stunden lang in einer Waldböckelheimer Scheune zum Narren hielt: jeder Einsatz zur Rettung der Haustiere verlangte Ideenreichtum und Fingerspitzengefühl.

Doch was macht die Feuerwehr, wenn aus den Funkmeldeempfängern nicht das Stichwort der Montagsmaler „Hund! Katze! Maus!“ quäkt, sondern die Rettung eines Pferdes oder von Milchvieh angesagt ist? Diese Frage beschäftigte die Führung der Rüdesheimer Stützpunktfeuerwehr bei der Planung ihrer wöchentlichen Ausbildung. Schließlich bringen ein Pferd oder eine Kuh nicht nur ein Vielfaches der Körpermasse eines Haustieres auf die Waage, sondern reagieren in Gefahrensituationen oder bei Verletzungen ganz anders als beispielsweise der beste Freund des Menschen. Das Verhalten der Großtiere in Gefahrensituationen stellt nicht nur das Tier selbst, sondern auch die Einsatzkräfte vor besondere Herausforderungen.

Auf Initiative des stellvertretenden Wehrführers Rouven Ginz entstand die Idee, eine Ausbildung zum Thema „Großtierrettung“ durchzuführen. Bei Feuerwehrkamerad Benjamin Bäumler und seiner Frau Nicole fand die Wehrführung auch gleich die passende Übungsörtlichkeit. Das Ehepaar führt in Weinsheim einen großen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem unter anderem vier eigene und 14 Pflegepferde beheimatet sind. Mit Regina Susenburger und Larissa Klein konnten zwei erfahrene Pferdehalterinnen und passionierte Reiterinnen gewonnen werden, die den Rüdesheimer Feuerwehrleuten eine umfassende Einweisung in die notwendigen Maßnahmen und Schritte bei Einsätzen mit verletzten oder entflohenen Tieren, beispielsweise bei Bränden oder Unfällen auf der nahen B 41 geben konnten.

So fand die wöchentliche Ausbildung am vergangenen Dienstagabend auf dem Bäumler’schen Hof in Weinsheim statt. Pferdeexpertin Regina Susenburger erläuterte den Frauen und Männern der Feuerwehr, wie Pferde bei Gefahrensituationen reagieren und worauf die Aktiven zu achten haben, um weder das Tier und vor allen Dingen noch die Einsatzkräfte bei Einsätzen zu gefährden. Eine der sofortigen Maßnahmen bei Einsätzen mit Großtieren ist deshalb die umgehende Alarmierung eines Veterinärs bzw. Tierarztes, der diese Tiere am besten kennt und notfalls eine Sedierung des verletzten Tieres durchführen kann. Weitere Ausbildungsinhalte waren die Herangehensweise an das Tier, Informationen zu Größe und Gewicht und die Möglichkeiten, ein Pferd mit Einsatzmitteln der Feuerwehr anzuheben, zum Beispiel nach einem Sturz in eine Grube. Maik Pleines ergänzte die Ausführungen zu den Themenbereichen „Einrichtung eines Bereitstellungsplatzes“ und Einsatzplanung. Eine besonnene Vorgehensweise, angefangen von der Anfahrt zur Einsatzstelle ohne Sondersignal bis zum ruhigen und konzentrierten Arbeiten am Tier, trägt wesentlich zum Einsatzerfolg bei. Eine wichtige Erkenntnis des Ausbildungsabends war, dass der Eigenschutz der Einsatzkräfte oberste Priorität hat, wie Regina Susenburger als bekennende Pferdeliebhaberin ausdrücklich betonte. Notfalls soll man das Pferd, das ein Fluchttier ist, einfach laufen lassen. Auch wenn es um das Wohl des Vierbeiners gehe, darf keine Einsatzkraft gefährdet werden.

Im Anschluss hatten die Aktiven die Gelegenheit, die Tiere aus nächster Nähe kennenzulernen. Dafür stellte Nicole Pache zwei Ponys zur Verfügung, um der Mannschaft die Scheu vor den Tieren zu nehmen. Regina Susenburger und Larissa Klein zeigten, wie einem Pferd ein Halfter angelegt wird, um es damit sicher aus einem Gefahrenbereich zu führen. Jeder Teilnehmer nutzte die Möglichkeit, den Tieren das Zaumzeug anzulegen und danach eine Runde über den Reitplatz zu führen. Das Bewegen des Pferdes ist immens wichtig, um es zu beruhigen. Ein Anbinden an eine Leitplanke ist der völlig verkehrteste Weg, denn ein Pferd muss sich bewegen. Wenn auch der ein oder andere Kamerad (Anmerkung des Verfassers: der Verfasser!) zur Belustigung der restlichen Mannschaft seine Mühe mit dem Anlegen des Halfters hatte, so konnte jeder Teilnehmer das Anlegen erfolgreich üben.

Um den 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Gelegenheit und Zeit zu bieten, sich mit der Materie „Großtierrettung“ umfassend zu befassen, hatte Benjamin Bäumler eine zweite Übungsstation vorbereitet. Hier wartete auf die Einsatzkräfte die Aufgabe, spielende Kinder, die durch Dummys dargestellt wurden, aus einem Strohballenstapel zu befreien. Zum Erreichen der Zugänge der Absturzöffnungen wurden tragbare Leitern vorgenommen. Nach dem Einbau der notwendigen Sicherungsleinen und Gurte seilten sich Kameraden zu den verunglückten Dummys ab. Zur Befreiung der Dummys aus den Löchern kam unter anderem eine Rettungswindel zum Einsatz. Über eine schiefe Ebene wurden die Dummys in einer Schleifkorbtrage auf den sicheren Erdboden herabgelassen.

Wehrführer Martin Barth und sein Stellvertreter Rouven Ginz dankten Nicole und Benjamin Bäumler für die zur Verfügungstellung des Übungsgeländes und Regina Susenburger und Larissa Klein herzlich für die umfassenden Informationen zur Durchführung von Großtierrettungen.

Text: Rouven Ginz, Pressesprecher Feuerwehr VG Rüdesheim

Bilder: Feuerwehr Rüdesheim

Fachbereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit