Aus Wrack befreit: Ausbildung „Technische Hilfeleistung nach Verkehrsunfällen“ bei der Feuerwehreinheit Hüffelsheim

Es ist der 15. Dezember 1992, ein spätherbstlicher Dienstagmorgen. Ein junger Bundeswehrsoldat ist mit seinem Audi 200 auf der Landesstraße 230 zwischen Münchwald und Gebroth unterwegs zu seiner Arbeitsstelle auf dem Flugplatz Pferdsfeld. Dort wird er an diesem Morgen allerdings nicht ankommen. Denn kurz nach sieben Uhr kommt die schwere Oberklasselimousine in Höhe des Forsthauses Gebroth auf der feuchten Fahrbahn nach einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn ab und prallt frontal gegen einen Baum. Die Wucht des Aufpralls war so groß, dass der Fahrer massiv im Fahrzeug eingeklemmt und schwer verletzt wird. Die Polizei spricht später von überhöhter Geschwindigkeit.

Von Rüdesheim aus macht sich kurz nach dem Alarm die seinerzeit einzige Stützpunktfeuerwehr im damals 197 Quadratkilometer großen Verbandsgemeindegebiet auf den Weg zur 22 Kilometer entfernten Unfallstelle. Mit einem Gerätewagen-Unfallhilfe auf einem 75 PS-starken VW LT 35 und einem TLF 16/24 auf Magirus-Deutz 150 D 10A aus dem Baujahr 1966 erreichen die acht Einsatzkräfte nach etwas mehr als 30 Minuten Alarmfahrt durch das Gräfenbachtal die Einsatzstelle. Um den hinter seinem Lenkrad eingeklemmten Soldaten aus dem Blechknäuel zu befreien, musste die Fahrertür herausgespreizt und das Dach mit der Rettungsschere abgeschnitten werden. Mit dem damals üblichen hydraulischen Hebesatz, dem Vorgänger des Rettungszylinders, wurde der Vorbau weggedrückt. Der Verletzte wurde nach seiner Rettung mit dem SAR-Hubschrauber in das Bundeswehrkrankenhaus nach Koblenz geflogen.

Der Unfall ist knapp 28 Jahre her. Seitdem hat sich bis heute die technische Ausstattung der VG-Wehren dank der Unterstützung der ab 1991 politisch Verantwortlichen zum Wohle für alle, die im Gebiet der VG Rüdesheim Hilfe benötigen, wesentlich verbessert. Bis 1998 wurden zusätzlich zur Rüdesheimer Wehr vier weitere Stützpunktwehren in Bockenau, Spabrücken, Wallhausen und Waldböckelheim gebildet und so ausgestattet, dass unter anderem mit hydraulischen Hilfeleistungssätzen die gesetzlich geforderten Hilfsfristen verbandsgemeindeweit eingehalten werden können. Und noch etwas ganz Entscheidendes hat sich geändert: Seit Mitte der 1990er Jahre wird zu allen Einsätzen auch die örtlich zuständige Feuerwehr alarmiert. Damit wird sichergestellt, dass neben der ersten Lageerkundung auch erste Maßnahmen von der örtlichen Feuerwehreinheit durchgeführt werden können. Und tagsüber ist es auch so, dass die Ortswehren mit den Stützpunktwehren, die das technische Equipment mitbringen, aufgrund einer verringerten Tagesalarmstärke Hand in Hand arbeiten müssen.

An den beiden vergangenen Ausbildungsabenden der Freiwilligen Feuerwehr Hüffelsheim beschäftigten sich die Aktiven um Wehrführer Markus Wohlleben und seinen Stellvertreter Christopher Keiper mit dem Thema „Technische Hilfeleistung nach Verkehrsunfällen“. Ausbilder Alexander Roßkopf, Berufsfeuerwehrmann in Mainz und einer von drei Fachausbildern „Technische Hilfe“ im Landkreis Bad Kreuznach, hatte die Ausbildungen vorbereitet.

Die Absicherung der Unfallstelle, das richtige Erkunden am verunfallten PKW, die Sicherstellung des Brandschutzes und die Stabilisierung des verunfallten Fahrzeugs, beispielsweise durch Unterbauen mit Holz, das Glasmanagement zur Schaffung einer Zugangsöffnung oder die Aufgaben des inneren Retters, der es sich mehr oder weniger im Unfallfahrzeug „bequem“ macht und die Erstversorgung des Patienten übernimmt, waren die Inhalte des ersten Abends. Dabei ging Alexander Roßkopf gezielt auf die Einsatzmöglichkeiten des Hüffelsheimer Erstangreifers, ein Tragkraftspritzenfahrzeug-Wasser neuerer Bauart, und dessen umfassende Beladung ein. So verfügt das TSF-W unter anderem über einen Glasmanagementkoffer oder Material, mit dem ein Unfallfahrzeug stabilisiert werden kann, noch bevor die Stützpunktfeuerwehr mit Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug (HLF) und Rüstwagen (RW) eintrifft. An einem von der Hüffelsheimer Autoverwertung Schumacher zur Verfügung gestellten Altfahrzeug konnten die Wehrleute genau diese Dinge praktisch üben.

Die praktische Ausbildung stand auch am zweiten Ausbildungsabend auf dem Dienstplan. Zur Unterstützung waren Niklas Köller und Tim Pleines von der benachbarten Stützpunktfeuerwehr aus Rüdesheim mit dem RW 1 „hoch zu den Hüffelsheimer Kameradinnen und Kameraden“ gekommen. Zu Dienstbeginn stellten die beiden Feuerwehrmänner die „rollende Werkstatt“ der Feuerwehr mit ihrer umfangreichen Beladung vor.

Im Anschluss ging es ans Eingemachte, besser gesagt ans Eingeklemmte. Ausbilder Alexander Roßkopf hatte eine Einsatzübung vorbereitet. Die angenommene Lage: Ein Pkw war durch ein Werkstatttor gerast und völlig demoliert in der Werkstatthalle stehen geblieben. Der Fahrer wurde dabei schwer verletzt und in seinem Fahrzeug eingeklemmt.

Nach dem fiktiven Alarm rückten die Hüffelsheimer Kameraden mit ihrem TSF-W zur Unfallstelle aus und begannen nach dem Eintreffen vor Ort direkt mit der Erkundung und dem Aufbau eines Bereitstellungsplatzes für das Einsatzmaterial des TSF-W. Die Aktiven stabilisierten das Unfallfahrzeug und stellten den Brandschutz sicher. Über eine Seitenscheibe wurde ein erster Zugang für den inneren Retter und den Rettungsdienst geschaffen. Nachdem der Rüstwagen eingetroffen war, bauten die Übungsteilnehmer gemeinsam mit der Besatzung des RW 1 eine Gerätebereitstellung für dessen Einsatzmittel auf.

Nun folgte ein kurzer Cut, um die bisher durchgeführten und die folgenden Einsatzmaßnahmen zu besprechen. Außerdem legte Ausbilder Roßkopf großen Wert darauf, seinen Kameradinnen und Kameraden die Bedienung und das Handling der hydraulischen Rettungsgeräte wie Schere, Spreizer und Rettungszylinder zu erläutern.

Zur Rettung des eingeklemmten Fahrers entschied sich Alexander Roßkopf für sein Steckenpferd, die große Seitenöffnung. Hierzu entfernten die Hüffelsheimer Aktiven die Türen und die B-Säule auf der Fahrerseite und konnten den Patienten so aus seiner Zwangslage befreien.

Im Anschluss nutzten die Teilnehmer die Gelegenheit, ausgiebig mit den hydraulischen Rettungsgeräten am verwertungsreifen Opel Vectra zu üben.

In der abschließenden Nachbesprechung erläuterte Ausbilder Roßkopf nochmals, wie wichtig die richtige Fahrzeugaufstellung der Einsatzfahrzeuge an der Unfallstelle ist. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass die Großfahrzeuge mit den notwendigen hydraulischen Rettungsgeräten zügig die Unfallstelle erreichen und der Rettungsdienst den Patienten nach erfolgreicher Befreiung auch zügig in Richtung Zielkrankenhaus transportieren kann.

Wehrführer Markus Wohlleben dankte seinen Kameradinnen und Kameraden für die motivierte Mitarbeit an beiden Übungsabenden. Ein herzliches Dankeschön richtete der Wehrführer an Walter Schuhmacher für das Bereitstellen des Übungsfahrzeugs, an Alexander Roßkopf für die umfassende und informative Ausbildung und bei den Kameraden aus Rüdesheim für die Unterstützung mit dem RW 1.

Text: Rouven Ginz und Christopher Keiper

Bilder: Freiwillige Feuerwehr Hüffelsheim

Fachbereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit